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Wir hatten Gründe.

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Noch am Morgen vor dem Schalke Spiel las ich in der Rundschau das Interview von unserem Fansprecher Andreas Hornung, genannt Pferd, über den bevorstehenden Auftritt unserer ehemaligen Nummer 13 – und dachte bei mir: ei, so moderat wäre ich nicht gewesen. Pferd fasste die Stimmung kurz zusammen und betonte, dass er (im Gegensatz zu mir) auch mit dem thematisierten Spieler noch zusammen ein Bier trinken könne. Ich vergaß das Interview und machte mich wenig später mit Pia ins Stadion auf. Wir freuten uns auf die geplante Choreo und auf den herzlichen Empfang, der unserer ehemaligen Nummer 13 bevorstand und trafen meinen Daddy, der ausnahmsweise vor uns im Stadion war. Noch sangen wir im Herzen von Europa und schon gab Martin Stein, die Stimme am Megaphon, das Signal zum Beginn der Choreo. Die gesamte Kurve hielt die von unzähligen Helfern vorgefertigten und auf die Plätze deponierten Papptafeln in die Höhe, über die Stadionlautsprecher erklang Tankards „Schwarz-Weiß wie Schnee“ und Martin trieb uns an, die Tafeln als weiter in die Höhe zu halten. Ich lugte über meine Tafel auf den Videowürfel – und erkannte das Motiv, besser gesagt die wechselnden Motive über das zehnjährige Bestehen der Frankfurter Ultras, umrahmt von schwarz-weißen Flaggen und dem Eintracht-Adler. Martin wurde nicht müde, uns anzufeuern, auf das wir die Choreo minutenlang bis zum Einlaufen der Teams präsentierten, es muss ein gigantisches Kurvenbild gewesen sein. Die Mannschaften liefen ein, die Eintracht winkte der Haupt- und Gegentribüne – und wenn mich nicht alles täuscht, hat kaum jemand der Spieler einen Blick für unsere Kurve übrig gehabt. Zunächst blieb jedoch keine Zeit zum ärgern, Schiri Fleischer pfiff die Partie an und wir gaben alles – wie nicht anders zu erwarten, richtete sich der Zorn gegen Schalkes 13er, der bei jedem Ballkontakt herzhaft ausgepfiffen wurde; Tausende brüllten sich die Seele aus dem Leib. Welch ein Unterschied zu dem Spiel gegen den 1.FC Köln, ziemlich genau ein Jahr zuvor, als eben jener Spieler nach seiner Einwechslung nach monatelanger Verletzung minutenlang von uns gefeiert wurde. Damals ahnten wir noch nicht, dass er insgeheim schon mit Schalke einig war – und uns später sogar im offiziellen Eintracht Forum vorgaukeln sollte, dass bezüglich seines Wechsels „alles offen sei“.

Zunächst rammte jener Spieler Spycher zur Seite und hatte Glück, dass er (warum auch immer) keine gelbe Karte sah. Wenig später wurde er von Marco Russ leicht geschubst, fiel zu Boden und reklamierte anschließend eine gelbe für Marco Russ, die diesem auch prompt unter die Nase gehalten wurde.

Es entwickelte sich ein hitziges Spiel, leidenschaftlich und voller Emotionen sowohl auf dem Platz als auch auf den Rängen, Schalke zeigte bei Weitem nicht, dass sie in die Championsleague wollen und die Eintracht war deutlich Herr im Hause – und dies obwohl mit Streit, Meier, Takahara, Vasoski, Preuss, oder Chris etliche Stammkräfte fehlten. Trainer Funkel gab später zu Protokoll, dass „Feuer“ im Spiel war, ein Begriff den ich gerne im Zusammenhang mit der Eintracht gebrauche, in den letzten Monaten vor allem beklagte ich die Abwesenheit des „Feuers“. Dazu später mehr.

Ein Highlight des Spiels war sicherlich die Führung der Eintracht. Toski spielte einen langen Ball, den Ama gefühlvoll in den Sechzehner flankte, worauf wiederum Toski die Kugel nicht unhaltbar für Neuer zum 1:0 ins Netz schob. Drei Dinge mögen hier vielleicht von Bedeutung sein. Zum einen, dass Toski, der sein zweites Bundesligaspiel von Anfang an machte - und schon seit der F-Jugend bei der Eintracht spielt - der Torschütze war. Toski ist ein netter junger Mann – der es nicht verdient hat, dass sein Vorname Faton auf dem Videowürfel mit Farton angezeigt wurde. Zum anderen war bemerkenswert, dass die Vorlage von Amanatidis kam (der wenig später für die zwischenzeitliche Führung sorgen sollte), jener Ama, der von der Bild in der Woche zuvor boulevardesk in den Dreck gezogen wurde – und aus seiner Haltung gegenüber dieser Zeitung auch in den Interviews der letzten Tage keinen Hehl machte; er benannte wie es ist: Ein Drecksblatt.

Dass Schalkes junger Torhüter Neuer bei dem Gegentreffer (und auch bei folgendem) nicht sonderlich gut aussah, mag Zufall gewesen sein. Wobei die Gesänge von den Rängen „Neuer ist nervös“ oder „Fliegenfänger, Fliegenfänger hey, hey, hey“ meines Erachtens durchaus ein Grund für die latente Unsicherheit des Goalies gewesen sein dürften. Sicherlich ist es nicht politisch korrekt, einen Manuel Neuer von den Rängen zu verunsichern. Er ist jung und hat sich gegenüber der Eintracht nichts zu schulden kommen lassen. Aber ist er ist in erster Linie der Torwart unseres Gegners – und unser Job ist es unter anderem unsere Eintracht zum Erfolg zu brüllen. Das hat dann tadellos geklappt. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass Neuer in einer Situation von uns kurz gefeiert worden wäre, nämlich als ein Spieler der Eintracht verletzt an der Außenlinie lag und das Spiel solange weiter lief, bis Neuer an den Ball kam – und diesen absichtlich ins Aus schlug. Das war groß Ã¢â‚¬â€œ aber wahrscheinlich haben die meisten von uns gar nicht bemerkt, dass ein Eintrachtler sich verletzt hatte und pfiffen den Goalie auch dann noch aus.

Dem Ausgleich durch Westermann folgte wenige Minuten die erneute Führung der Eintracht durch Amanatidis und als wir noch dachten, es gebe einen Fußballgott folgte eine der größeren Aufregungen der letzten Zeit. Michael Thurk war am Ball, der Schiri pfiff und Thurk schubste den Ball noch ein paar Meterchen zur Seite – keineswegs drosch er ihn vom Spielfeld. Sportskamerad Ernst machte seinem Namen alle Ehre, rannte auf Thurk zu und stieß ihn mit Anlauf vehement zu Boden. Der eben erwähnte Neuer sprintete ebenfalls aus dem Kasten – er war sicherlich nervös – und mischte sich in das beginnende Rudel ein; ebenfalls die Gelsenkirchener Ersatzspieler, die von der Seitenlinie auf das Spielfeld gestürmt waren. Besonders der Auswechselspieler Grossmüller war leicht erzürnt, und packte Michael Thurk an den Hals und stieß ihn erneut zu Boden. Es folgte ein kleiner Tumult, den Schiri Fleischer mit gelben Karten für Thurk und Ernst und Rot für Grossmüller ahndete. Unterdessen deutete unsere ehemalige Nummer dreizehn einen Kopfstoß gegen Thurk an – der dritte Schalker, der einen Platzverweis von Thurk provozieren wollte. Aber Micha blieb ruhig. Die Details könnt ihr in Kids Blog nachlesen – ich beschränke mich hier auf den Ärger der nicht gegebenen roten Karte für Ernst und der zwingenden Karte für den ehemaligen Dreizehner, der im gesamten Spiel keine einzige Karte sah.

Aber alles dies verblasst gegen die große Ungerechtigkeit, das Westermann in der letzten Minute noch ein Tor für Schalke schoss. Ausgleich. Scheiße.

Scheiße. Scheiße. Scheiße.

Westermann? Ein Mann der nie trifft – außer gegen uns. Schon bei der letzten Niederlage in Bielefeld schoss er (noch im Trikot der Arminia) den einzigen Treffer des Spiels. Und heute zwei. Wenn ich Bruchhagen wäre, würde ich ihn kaufen.

Abpfiff, 2:2.

Ich ärgerte mich maßlos – und der Höhepunkt des Ärgers sollte noch folgen. Zwar haben wir ein geiles Spiel gesehen – und eine geile Choreo. Eine Choreo, auf die weder Trainer noch Spieler eingegangen sind. Im Gegenteil, sowohl Trainer Funkel als auch Spycher (in der Sendung „Heimspiel“ im HR) betonten, dass unser Fanbetreuer Pferd die Situation unnötig aufgeheizt hätte und verloren kein Wort über das Kurvenbild. Meine Herren, das war ganz schwach. Die Äußerungen von Pferd hatten mit Sicherheit keinen Einfluss auf das Verhalten von uns Fans – und wenn, dann eher beschwichtigend. Für uns alle war klar, was passiert, wenn unsere ehemalige Nummer 13 zurückkommt – Interview hin oder her. Was aber ganz sicher unser Einfluss war, war das vom Trainer zitierte „Feuer“, auf das er so stolz war – und das wir in den letzten Wochen massiv vermissen durften. War es Zufall, dass die hitzige Stimmung, die just bei diesem Spiel von den Rängen kam, auf das Spielfeld übergeschwappt ist? Oder war es nicht viel eher der Funke, der von uns mit voller Absicht und Leidenschaft gezündet wurde, der unseren Jungs endlich mal wieder Feuer unter dem ***** machte. Ein Feuer, dessen Entfachung eigentlich konsequent Aufgabe des Trainers ist.

Apropos Trainer. Auch Schalkes Trainer Slomka entblödete sich nicht, Pferd anzugreifen – um gleichzeitig zu behaupten, dass sein Spieler Grossmüller bei der Rudelbildung „nur schlichten wollte“. Klar, so war es. Eigentlich hat Pferd den Thurk umgeschubst.


Ein kleines Wort geht noch an die Presse und die Medien. Schön, dass ihr die Choreo übergeht. Schön, dass ihr– wie der Kollege Martin van de Flierdt im Netz auf Sport 1 de unter gänzlicher Ahnungslosigkeit von unserem Mob sprecht – und uns in einen Zusammenhang mit den tödlichen Schüssen in Italien stellt – eine Entgleisung sondersgleichen. Einzig Steffen Simon sei hier lobend erwähnt, der am Beispiel Streit deutlich machte, dass unsere Reaktion auf Vereinswechsel eines Spielers nicht per se auf Pöbelei hinausläuft. Auch sagte er in der Sportschau, dass „noch niemals in der Bundesligageschichte ein einzelner Spieler während des gesamten Spiels von den Rängen so nieder gepfiffen wurde.“ Genau so war es. Und wir sind stolz darauf. Denn wir hatten Gründe.

Was bleibt?

Eintracht Frankfurt lebt. Und das ist gut so.

Auswärtssieg!
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Wie sagte Ama so schön: Es war ein Männerspiel!  
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Ach so, wäre fast im zustimmenden Kopfnicken meinerseits untergegangen: Danke, Beve!
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Beverungen schrieb:
Eintracht Frankfurt lebt. Und das ist gut so.

Auswärtssieg!



*unterschreib*

DaZke für diesen Post, Beve!
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Ich sage es mal mit den Worten von Kermit dem Frosch: Applaus, Applaus, Applaus!

Deine Beiträge sind immer wieder lesenswert und ein echtes Forumshighlight.  
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Blöder Thread, finde garnix zum meckern.
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Das möchte ich uneingeschränkt so unterschreiben.
Danke für die kleine Nachbetrachtung.

Ich wäre auch sehr froh, wenn sich diverse Medienvertreter ihrer Aufgabe bewusst werden und sich umfassend informieren, bevor diese so amateurhaft ihre Meinung in die Welt hinaus posaunen.

Für unseren Trainer + Vorstand gilt das in diesem Fall genauso.
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Danke für die vielen Zeilen. Ich war (bin) leider krank und konnte das Spiel nur vorm Fernseher verfolgen - mit deinem Text bin ich noch mal ein wenig in meinen Block zurückgekehrt.
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.....so viel zu schreiben? Na und?
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propain schrieb:
Blöder Thread, finde garnix zum meckern.


Dazke für den gelungenen Beitrag.

Bin mal gespannt, wann daraus ne Funkrel-raus, Streit kann net kicken Diskussion gemacht wird  ,-)
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propain schrieb:
Blöder Thread, finde garnix zum meckern.


Dazke für den gelungenen Beitrag.

Bin mal gespannt, wann daraus ne Funkel-raus, Streit kann net kicken Diskussion gemacht wird  ,-)
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@Beverungen  


Gut das es Menschen gibt die das so niederschreiben wie man es auch selbst empfindet.
Du hast auch mit der Schilderung der Spielszenen gar nicht mal übertrieben (Vereinsbrille usw.)
Man wird heute wieder 98zigmal Kahn usw. hören.
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Danke Beve! Ich habe Herrn Flierdt heute auch mit einem Leserbrief beglückt.
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Axel du hast es so nüchtern und doch so spannend beschrieben, so sachlich und doch so Fan-nah und so kühl und doch voller Leidenschaft. Was soll man dazu noch sagen: Es ist ein schöner Bericht, Danke!!!
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Du hast vergessen zu erwähnen, dass das Lied Schwarz, weiß wie Schnee ja 2x gespielt wurde, d.h. ihr habt schon eine halbe Ewigkeit die Kartons hoch halten müssen    Dafür und für diesen tollen Bericht DAZKE !!!

PS Dass die Spieler nicht hoch geschaut haben, ist mir auch aufgefallen. Ich habe es auf die Angespanntheit vor dem Spiel geschoben. :neutral-face
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Ja, wir hatten Gründe.

Und zu deiner Information. Es sah wirklich gigantisch aus.
Mein amerikanischer Gast hat sich gar nicht mehr eingekriegt. Er konnte gar nicht fassen, dass Fans das freiwillig und ohne  Bezahlung auf die Beine stellen konnten.

DaZke Beve!
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propain schrieb:
Blöder Thread, finde garnix zum meckern.


Der Thread ist dann ja garnicht nach deinem Geschmack.
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Dieses Geschreibsel von dem sport1-Heini hab ich ja eben jetzt erst gesehen. Der ist ja mit einer seltenen Ahnungslosigkeit gesegnet.

Dieser Job muss ja wirklich mies bezahlt sein, dass sich da kein besserer findet.

Wir im Forum und in den Blogs haben hier einige Leute, die sind dem Vogel meilenweit überlegen. Und die machen es für umme.
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Ich krieg mich gar net ein: die Brücke von Sandri zu Jones zu schlagen, das ist entweder vollkommen unbedarft und dämlich oder unverschämt und dämlich. Oder alles zusammen.
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schusch schrieb:
Ich krieg mich gar net ein: die Brücke von Sandri zu Jones zu schlagen, das ist entweder vollkommen unbedarft und dämlich oder unverschämt und dämlich. Oder alles zusammen.


Alles zusammen und noch ein bißchen deutlich mehr!


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