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...unser letztes Spiel, unser letzter Sieg in Napoli (SSC vs Bologna)

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SSC Napoli vs Bologna FC  3:1 (1:0)
17.09.2016    20:45 Uhr
Stadio San Paolo in Napoli
Serie A
21.083 Zuschauer (ca. 80 Gästefans)


Ein paar Worte zum Spiel in Napoli, das wir gleich zu Beginn unseres Urlaubs in der Campania besuchten. Viele werden schon im San Paolo gewesen sein, etliche sicher auch nicht.
Für mich war es der erste Besuch nicht nur im Stadion dort sondern überhaupt in Napoli. Bei unserem Spiel damals konnte ich aus verschiedensten Gründen leider nicht vor Ort sein.

Und bei unserer letzten UEFA-Cup-Teilnahme reichte es ja bekanntermaßen leider nicht für unsere Jungs sich für ein Spiel mit diesem durchaus legendären Club zu qualifizieren.
Immer noch sehr schade aber Schnee von gestern.

Vor dem Spiel stand der Erwerb der Karten. Eigentlich wollten wir bequem online Tickets kaufen.
Tja, wenn es die verdammte Tessera nicht gäbe, wäre das kein Problem gewesen.
Aber: Ohne Tessera kein online-Einkauf.
Nun denn: Nach einer kurzen Nacht (wegen schwerer Gewitter mussten wir in Bari zwischenlanden, bis der Flughafen in Napoli wieder gewöffnet wurde), trotteten wir in die Quartieri Spagnoli in eines der herrlichsten Gewusel und Durcheinander von Straßenhändlern, Motorini, Müßiggängern, Handwerker, Tage- und Taschendieben, Alten und Jungen, Einkäufern, Zockern und Tifosi. Rein in die nächste Bar, einen Cafè, und eine Minute später die wichtige Information:
Tickets für das Spiel da vorne im Wettbüro. Sehr schön. Ich liebe Italien. Richtiger Kaffee, Wein, Bier, Essen von und für Götter, Kinder, Alte – Leben!

Gegen Vorlage unserer Ausweise und 70 Euro („solo Cash, no carta die credita“) hatten wir zwei Karten für die Distinti, die Gegentribüne.

Nach ein bisschen Bummelei schickte uns der Hunger für ein spätes Mittagessen ins centro storico.
In einer Seitenstraße an einer Piazzetta landeten wir in einer Trattoria. Der Kellner mit Napoli-Tattoo, an der Wand Graffittis mit einem Ultras Napoli-Bus und, natürlich, Diego M.

Ich bin nicht sicher, ob Diego noch vor San Gennaro, dem Schutzheiligen der Stadt oder gleichauf mit ihm verehrt wird. Auf jeden Fall ist er allgegenwärtig. Auf Postern, Fotos, Graffittis, Fahnen usw.

Überhaupt habe ich eine Intensität und Allgegenwärtigkeit eines Fußballclubs bisher nur in Bilbao und Glasgow ähnlich bemerkt.
Leider schlug sich das nicht im Zuschaueraufkommen nieder:
Rund 21.000 wollten dem Match gegen Bologno beiwohnen. Tessera und hohe Eintrittspreise dürften die Hauptschuldigen sein. Vielleicht können Italien-Experten mir da weiterhelfen.
An der sportlichen Situation des SSC kann es nicht liegen.
Napoli spielt in dieser Saison wieder Championsleague, und vor dem vierten Spieltag der Serie A durften die Himmelblauen auf den Sprung auf Platz in der Tabelle hoffen, stand Konkurrent Juve doch am Sonntag der schwere Gang zu Inter bevor.

Also rein in die U-S-Regio-was auch immer Bahn, und ab zum Stadio San Paolo.
Gleich am Bahnhof eine Bar, also erstmal ein Moretti. Ich liebe Stadien, die im oder am Rande normaler Viertel mit Wohnungen, Kneipen usw. liegen.
So auch das San Paolo. Hinter der Curva gleich die typischen mehrstöckigen italienischen Wohnhäuser, Kneipen, Läden usw.
Drumherum das übliche:
Bierstände, Möglichkeiten zur Nahrungsaufnahme, Fanartikelverkäufer usw.
Darunter auch sehr lustige Stände mit Leuchtreklame, die eher an Dippemess oder so denken ließen.
Bisschen Gewusel aber kein Massenandrang.
Also suchten wir unseren Eingang, an dem in der Tat die eingetragenenen Namen auf den Tickets sehr gewissenhaft mit unseren Ausweisen abgeglichen wurden.
Kenne ich von Milan nicht, da war das den Ordnern scheißegal.

Das San Paolo hat ja schon viele Triumphe und Tragödien erlebt, und das sieht man ihm auch an.
Meine Freundin fand es ganz schön abgefuckt, ich finde, für italienische Verhältnisse ist es absolut top in Schuss.
60.000 passen noch rein, eine Renovierung ist zwar schon seit einiger Zeit angedacht, aber Gott sei Dank noch nicht in Arbeit. Die Schalensitze (es ist ein Allseater) sehen aus als hätten sie 50 Jahre Sonne am Stück abbekommen im Wechsel mit Sturmfluten.
Zwei Ränge, der untere ging durchweg erst gar nicht in den Verkauf, mit Ausnahme des Gästekäfigs für die Bologna-Tifosi.

Im Rundlauf unten gab es angenehm schnickschnackfreie Bierversorgung: Perroni im Plastikbecher von einem Typ an einem abgeranzten Tisch ohne Barrieren, Theke oder dergleichen gegen echtes Geld eingeschenkt.

Rein ins weite Rund, ein Blick auf die Kurven:
Curva A nicht besonders gefüllt, Curva B deutlich besser.
Ansonsten hat die Gegentribüne ganz ordentlich besucht und die üblichen Verdächtigen auf der Haupttribüne.
Wir machten es uns gemütlich, während beide Kurven ein bisschen vor sich hinsangen.
Sehr lustig war beim Warmmachen der Napoli-Spieler vor der Curva B, das wirklich jeder einzelne Schuss, der im Tor landete, beklatscht wurde.
Die Spieler verschwanden, im Stadion hatte sich dann ca ein Drittel der möglichen 60.000 eingefunden.
Kurz danach Einlauf der Mannschaften, auf der Dissinti wurde eine Blockfahne hochgezogen, Curva A präsentierte ein für mich unleserliches Banner und ein paar Fackeln.
Curva B mit einem Banner „Settore popolare“ und ziemlich lautstark.
Das Spiel war durchaus munter, Napoli klar besser.
Bologna zwar in neongelben Trikots, aber bieder bis zum Anschlag.
Napoli zwar auch keineswegs fehlerfrei, aber schneller, agressiver und spielerisch turmhoch überlegen.
Callejon machte denn auch nach einer knappen Viertelstunde die Führung, im Stadion wurde es jetzt mal ordentlich laut, nachdem vor allem Cuva B zwar durchgehend sang und anfeuerte, Curva A sich nur ab und zu bemerkbar machte und Distinti nur ganz ganz selten.

Eine Chance für Bologna, mehrere für Napoli, das einsnull hielt bis zur Pause.
Inzwischen war auch ein kleiner Haufen Bologna-Tifosi eingetroffen, die bei Anpfiff der Partie noch nicht im Stadion waren. Vielleicht 80 Leutchen, wohlwollend geschätzt. Schade, dass es nicht mehr waren.
Aber die sahen ihr Team jetzt viel agressiver, Napoli sorgloser, und so waren keine fünfzehn Minuten gespielt, da klingelte es im Kasten der Süditaliener. Und zwar verdient.
Große Freude sowie Blinker und Fackeln beim Gästeanhang, Murren und Knurren bei den anderen 21.000.

Übrigens, kleiner Exkurs zum Thema „Eskalation der Gewalt im Fußball“:
1924 sorgten Ausschreiten beim Finalspiel des Bologna FC gegen Genova für einen Spielabbruch, Wertung mit zwonull und damit die Meisterschaft für den Gegner aus Ligurien.

Aber von solch sportlichen Leistungen ist Bologna ohnehin weit entfernt.
So auch an diesem Samstag abend. Napoli zog die Zügel an und wechstelte unter anderem Arkadiusz Milik, ihren neuen Topstar ein, der auf dem besten Wege ist, Verräter Higuain Vergessen zu machen.
Wenn man bedenkt, dass Leute wie Giaccherini und Mertens nur auf der Bank saßen...

Um es abzukürzen: Milik mit zwei blitzsauberen Toren, bei denen er seine Klasse zeigte, anschließend noch rot für Bologna – als Napoli ernst machte, war das Strohfeuer der Gäste schnell erloschen.
Im Gegensatz zu den Fackeln, die immer mal wieder von Grüppchen oder Einzelpersonen angerissen wurden, hauptsächlich in Curva B, und stilecht mehrheitlich auf der Tartanbahn entsorgt wurden. Was aber niemand auch nur ansatzweise interessierte, außer den Feuerwehrleuten, die ein Auge darauf hatten.
Gesungen wurde nun sogar der schöne Gassenhauer „Un giorno all'improvviso“, allerdings war die Stimmung eher lockerflockig. Zu schwach der Gegner, zu wenige Zuschauer, zu wenig entscheidend oder dramatisch das Match.
Trotzdem ein herrlicher Kurvenschlager.

Ein Brot und Butter Spiel war es, kein Derby, nix wildes. Aber ich mag ja aus fansoziologischer Sicht so was.
Da trennt sich die Spreu vom Weizen.
Durchgehend Gesänge und Anfeuerungen, klassischer italienischer Ultrastyle würde ich mit meinem gepflegten Halbwissen urteilen.
Und mal wieder eine Menge bekannter Melodien, deutschland- und europaweit.
Schrieb ich schon, dass ich Italien mag?
Wir sind dann ganz zufrieden nach Downtown Napoli getuckert, sehr

PS.: Gestern noch in Napoli in einer Bar die letzte halbe Stunde von Atalanta vs Napoli gesehen.
Da war nix mehr von starkem SSC. Fußball ist schön
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SSC Napoli vs Bologna FC  3:1 (1:0)
17.09.2016    20:45 Uhr
Stadio San Paolo in Napoli
Serie A
21.083 Zuschauer (ca. 80 Gästefans)


Ein paar Worte zum Spiel in Napoli, das wir gleich zu Beginn unseres Urlaubs in der Campania besuchten. Viele werden schon im San Paolo gewesen sein, etliche sicher auch nicht.
Für mich war es der erste Besuch nicht nur im Stadion dort sondern überhaupt in Napoli. Bei unserem Spiel damals konnte ich aus verschiedensten Gründen leider nicht vor Ort sein.

Und bei unserer letzten UEFA-Cup-Teilnahme reichte es ja bekanntermaßen leider nicht für unsere Jungs sich für ein Spiel mit diesem durchaus legendären Club zu qualifizieren.
Immer noch sehr schade aber Schnee von gestern.

Vor dem Spiel stand der Erwerb der Karten. Eigentlich wollten wir bequem online Tickets kaufen.
Tja, wenn es die verdammte Tessera nicht gäbe, wäre das kein Problem gewesen.
Aber: Ohne Tessera kein online-Einkauf.
Nun denn: Nach einer kurzen Nacht (wegen schwerer Gewitter mussten wir in Bari zwischenlanden, bis der Flughafen in Napoli wieder gewöffnet wurde), trotteten wir in die Quartieri Spagnoli in eines der herrlichsten Gewusel und Durcheinander von Straßenhändlern, Motorini, Müßiggängern, Handwerker, Tage- und Taschendieben, Alten und Jungen, Einkäufern, Zockern und Tifosi. Rein in die nächste Bar, einen Cafè, und eine Minute später die wichtige Information:
Tickets für das Spiel da vorne im Wettbüro. Sehr schön. Ich liebe Italien. Richtiger Kaffee, Wein, Bier, Essen von und für Götter, Kinder, Alte – Leben!

Gegen Vorlage unserer Ausweise und 70 Euro („solo Cash, no carta die credita“) hatten wir zwei Karten für die Distinti, die Gegentribüne.

Nach ein bisschen Bummelei schickte uns der Hunger für ein spätes Mittagessen ins centro storico.
In einer Seitenstraße an einer Piazzetta landeten wir in einer Trattoria. Der Kellner mit Napoli-Tattoo, an der Wand Graffittis mit einem Ultras Napoli-Bus und, natürlich, Diego M.

Ich bin nicht sicher, ob Diego noch vor San Gennaro, dem Schutzheiligen der Stadt oder gleichauf mit ihm verehrt wird. Auf jeden Fall ist er allgegenwärtig. Auf Postern, Fotos, Graffittis, Fahnen usw.

Überhaupt habe ich eine Intensität und Allgegenwärtigkeit eines Fußballclubs bisher nur in Bilbao und Glasgow ähnlich bemerkt.
Leider schlug sich das nicht im Zuschaueraufkommen nieder:
Rund 21.000 wollten dem Match gegen Bologno beiwohnen. Tessera und hohe Eintrittspreise dürften die Hauptschuldigen sein. Vielleicht können Italien-Experten mir da weiterhelfen.
An der sportlichen Situation des SSC kann es nicht liegen.
Napoli spielt in dieser Saison wieder Championsleague, und vor dem vierten Spieltag der Serie A durften die Himmelblauen auf den Sprung auf Platz in der Tabelle hoffen, stand Konkurrent Juve doch am Sonntag der schwere Gang zu Inter bevor.

Also rein in die U-S-Regio-was auch immer Bahn, und ab zum Stadio San Paolo.
Gleich am Bahnhof eine Bar, also erstmal ein Moretti. Ich liebe Stadien, die im oder am Rande normaler Viertel mit Wohnungen, Kneipen usw. liegen.
So auch das San Paolo. Hinter der Curva gleich die typischen mehrstöckigen italienischen Wohnhäuser, Kneipen, Läden usw.
Drumherum das übliche:
Bierstände, Möglichkeiten zur Nahrungsaufnahme, Fanartikelverkäufer usw.
Darunter auch sehr lustige Stände mit Leuchtreklame, die eher an Dippemess oder so denken ließen.
Bisschen Gewusel aber kein Massenandrang.
Also suchten wir unseren Eingang, an dem in der Tat die eingetragenenen Namen auf den Tickets sehr gewissenhaft mit unseren Ausweisen abgeglichen wurden.
Kenne ich von Milan nicht, da war das den Ordnern scheißegal.

Das San Paolo hat ja schon viele Triumphe und Tragödien erlebt, und das sieht man ihm auch an.
Meine Freundin fand es ganz schön abgefuckt, ich finde, für italienische Verhältnisse ist es absolut top in Schuss.
60.000 passen noch rein, eine Renovierung ist zwar schon seit einiger Zeit angedacht, aber Gott sei Dank noch nicht in Arbeit. Die Schalensitze (es ist ein Allseater) sehen aus als hätten sie 50 Jahre Sonne am Stück abbekommen im Wechsel mit Sturmfluten.
Zwei Ränge, der untere ging durchweg erst gar nicht in den Verkauf, mit Ausnahme des Gästekäfigs für die Bologna-Tifosi.

Im Rundlauf unten gab es angenehm schnickschnackfreie Bierversorgung: Perroni im Plastikbecher von einem Typ an einem abgeranzten Tisch ohne Barrieren, Theke oder dergleichen gegen echtes Geld eingeschenkt.

Rein ins weite Rund, ein Blick auf die Kurven:
Curva A nicht besonders gefüllt, Curva B deutlich besser.
Ansonsten hat die Gegentribüne ganz ordentlich besucht und die üblichen Verdächtigen auf der Haupttribüne.
Wir machten es uns gemütlich, während beide Kurven ein bisschen vor sich hinsangen.
Sehr lustig war beim Warmmachen der Napoli-Spieler vor der Curva B, das wirklich jeder einzelne Schuss, der im Tor landete, beklatscht wurde.
Die Spieler verschwanden, im Stadion hatte sich dann ca ein Drittel der möglichen 60.000 eingefunden.
Kurz danach Einlauf der Mannschaften, auf der Dissinti wurde eine Blockfahne hochgezogen, Curva A präsentierte ein für mich unleserliches Banner und ein paar Fackeln.
Curva B mit einem Banner „Settore popolare“ und ziemlich lautstark.
Das Spiel war durchaus munter, Napoli klar besser.
Bologna zwar in neongelben Trikots, aber bieder bis zum Anschlag.
Napoli zwar auch keineswegs fehlerfrei, aber schneller, agressiver und spielerisch turmhoch überlegen.
Callejon machte denn auch nach einer knappen Viertelstunde die Führung, im Stadion wurde es jetzt mal ordentlich laut, nachdem vor allem Cuva B zwar durchgehend sang und anfeuerte, Curva A sich nur ab und zu bemerkbar machte und Distinti nur ganz ganz selten.

Eine Chance für Bologna, mehrere für Napoli, das einsnull hielt bis zur Pause.
Inzwischen war auch ein kleiner Haufen Bologna-Tifosi eingetroffen, die bei Anpfiff der Partie noch nicht im Stadion waren. Vielleicht 80 Leutchen, wohlwollend geschätzt. Schade, dass es nicht mehr waren.
Aber die sahen ihr Team jetzt viel agressiver, Napoli sorgloser, und so waren keine fünfzehn Minuten gespielt, da klingelte es im Kasten der Süditaliener. Und zwar verdient.
Große Freude sowie Blinker und Fackeln beim Gästeanhang, Murren und Knurren bei den anderen 21.000.

Übrigens, kleiner Exkurs zum Thema „Eskalation der Gewalt im Fußball“:
1924 sorgten Ausschreiten beim Finalspiel des Bologna FC gegen Genova für einen Spielabbruch, Wertung mit zwonull und damit die Meisterschaft für den Gegner aus Ligurien.

Aber von solch sportlichen Leistungen ist Bologna ohnehin weit entfernt.
So auch an diesem Samstag abend. Napoli zog die Zügel an und wechstelte unter anderem Arkadiusz Milik, ihren neuen Topstar ein, der auf dem besten Wege ist, Verräter Higuain Vergessen zu machen.
Wenn man bedenkt, dass Leute wie Giaccherini und Mertens nur auf der Bank saßen...

Um es abzukürzen: Milik mit zwei blitzsauberen Toren, bei denen er seine Klasse zeigte, anschließend noch rot für Bologna – als Napoli ernst machte, war das Strohfeuer der Gäste schnell erloschen.
Im Gegensatz zu den Fackeln, die immer mal wieder von Grüppchen oder Einzelpersonen angerissen wurden, hauptsächlich in Curva B, und stilecht mehrheitlich auf der Tartanbahn entsorgt wurden. Was aber niemand auch nur ansatzweise interessierte, außer den Feuerwehrleuten, die ein Auge darauf hatten.
Gesungen wurde nun sogar der schöne Gassenhauer „Un giorno all'improvviso“, allerdings war die Stimmung eher lockerflockig. Zu schwach der Gegner, zu wenige Zuschauer, zu wenig entscheidend oder dramatisch das Match.
Trotzdem ein herrlicher Kurvenschlager.

Ein Brot und Butter Spiel war es, kein Derby, nix wildes. Aber ich mag ja aus fansoziologischer Sicht so was.
Da trennt sich die Spreu vom Weizen.
Durchgehend Gesänge und Anfeuerungen, klassischer italienischer Ultrastyle würde ich mit meinem gepflegten Halbwissen urteilen.
Und mal wieder eine Menge bekannter Melodien, deutschland- und europaweit.
Schrieb ich schon, dass ich Italien mag?
Wir sind dann ganz zufrieden nach Downtown Napoli getuckert, sehr

PS.: Gestern noch in Napoli in einer Bar die letzte halbe Stunde von Atalanta vs Napoli gesehen.
Da war nix mehr von starkem SSC. Fußball ist schön
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Klasse Bericht. Das Stadion in Neapel kenne ich nicht, war nur 1997 mal da und von der Stadt total begeistert: zwar reichlich heruntergekommen aber schöne enge Gassen, das Leben findet auf den Straßen statt bzw. in den zur Straße offenen Wohnzimmern, Marktstände in jedem noch so kleinen Winkel, Wäscheleinen und Stromkabel kreuz und quer zwischen den Häusern gespannt und überall wird Maradona verehrt.
1997 war das sportlich allerdings eine andere Situation. Man klammerte sich zwar an die gute, gar nicht so alte Zeit, war aber praktisch pleite, hat kurz zuvor alle halbwegs guten Spieler versilbern müssen und schlitterte dem Abstieg entgegen.
Das wäre echt mal eine geile Auswärtsfahrt - wenn auch sicher alles andere als familientauglich.
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Puuuhh... Napoli fehlt noch in meiner Sammlung, dank deines Berichts bin ich dem Ziel wieder ein Stück nähergekommen. Danke!
Hat schon was Wehmütiges, die alten Kästen in Italien zu sehen mit ihrem Beton, dem bröckelnden Putz, aber auch dem Charme improvisierter Bierverkaufsstände. Wehmütig, weil es immer wieder an Italia Novanta erinnert. Und da gibts ja neben dem San Paolo noch einige andere.
Sehr schöner Bericht.
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Ich muss schon sagen...

Da schreibt sich einer einen Wolf, lässt die Forumsgemeinde teilhaben an einem Fußballerlebnis, garniert das Ganze noch mit eigenen Bildern, schildert eindrucksvoll wie eindrücklich Fußball an Orten, die nun nicht jeder hier zu sehen bekommt, und es kommentieren - zwei User.

Wie wäre es mit "da war ich auch schon und ergänze" oder "so ist es auch in XY" oder wenigstens ein "schöner Bericht" oder ein "Danke". Das hätte der nämlich verdient - und das würde ein funktionierendes Forum auch ausmachen.

War auch schon mal anders hier. Schade.
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SSC Napoli vs Bologna FC  3:1 (1:0)
17.09.2016    20:45 Uhr
Stadio San Paolo in Napoli
Serie A
21.083 Zuschauer (ca. 80 Gästefans)


Ein paar Worte zum Spiel in Napoli, das wir gleich zu Beginn unseres Urlaubs in der Campania besuchten. Viele werden schon im San Paolo gewesen sein, etliche sicher auch nicht.
Für mich war es der erste Besuch nicht nur im Stadion dort sondern überhaupt in Napoli. Bei unserem Spiel damals konnte ich aus verschiedensten Gründen leider nicht vor Ort sein.

Und bei unserer letzten UEFA-Cup-Teilnahme reichte es ja bekanntermaßen leider nicht für unsere Jungs sich für ein Spiel mit diesem durchaus legendären Club zu qualifizieren.
Immer noch sehr schade aber Schnee von gestern.

Vor dem Spiel stand der Erwerb der Karten. Eigentlich wollten wir bequem online Tickets kaufen.
Tja, wenn es die verdammte Tessera nicht gäbe, wäre das kein Problem gewesen.
Aber: Ohne Tessera kein online-Einkauf.
Nun denn: Nach einer kurzen Nacht (wegen schwerer Gewitter mussten wir in Bari zwischenlanden, bis der Flughafen in Napoli wieder gewöffnet wurde), trotteten wir in die Quartieri Spagnoli in eines der herrlichsten Gewusel und Durcheinander von Straßenhändlern, Motorini, Müßiggängern, Handwerker, Tage- und Taschendieben, Alten und Jungen, Einkäufern, Zockern und Tifosi. Rein in die nächste Bar, einen Cafè, und eine Minute später die wichtige Information:
Tickets für das Spiel da vorne im Wettbüro. Sehr schön. Ich liebe Italien. Richtiger Kaffee, Wein, Bier, Essen von und für Götter, Kinder, Alte – Leben!

Gegen Vorlage unserer Ausweise und 70 Euro („solo Cash, no carta die credita“) hatten wir zwei Karten für die Distinti, die Gegentribüne.

Nach ein bisschen Bummelei schickte uns der Hunger für ein spätes Mittagessen ins centro storico.
In einer Seitenstraße an einer Piazzetta landeten wir in einer Trattoria. Der Kellner mit Napoli-Tattoo, an der Wand Graffittis mit einem Ultras Napoli-Bus und, natürlich, Diego M.

Ich bin nicht sicher, ob Diego noch vor San Gennaro, dem Schutzheiligen der Stadt oder gleichauf mit ihm verehrt wird. Auf jeden Fall ist er allgegenwärtig. Auf Postern, Fotos, Graffittis, Fahnen usw.

Überhaupt habe ich eine Intensität und Allgegenwärtigkeit eines Fußballclubs bisher nur in Bilbao und Glasgow ähnlich bemerkt.
Leider schlug sich das nicht im Zuschaueraufkommen nieder:
Rund 21.000 wollten dem Match gegen Bologno beiwohnen. Tessera und hohe Eintrittspreise dürften die Hauptschuldigen sein. Vielleicht können Italien-Experten mir da weiterhelfen.
An der sportlichen Situation des SSC kann es nicht liegen.
Napoli spielt in dieser Saison wieder Championsleague, und vor dem vierten Spieltag der Serie A durften die Himmelblauen auf den Sprung auf Platz in der Tabelle hoffen, stand Konkurrent Juve doch am Sonntag der schwere Gang zu Inter bevor.

Also rein in die U-S-Regio-was auch immer Bahn, und ab zum Stadio San Paolo.
Gleich am Bahnhof eine Bar, also erstmal ein Moretti. Ich liebe Stadien, die im oder am Rande normaler Viertel mit Wohnungen, Kneipen usw. liegen.
So auch das San Paolo. Hinter der Curva gleich die typischen mehrstöckigen italienischen Wohnhäuser, Kneipen, Läden usw.
Drumherum das übliche:
Bierstände, Möglichkeiten zur Nahrungsaufnahme, Fanartikelverkäufer usw.
Darunter auch sehr lustige Stände mit Leuchtreklame, die eher an Dippemess oder so denken ließen.
Bisschen Gewusel aber kein Massenandrang.
Also suchten wir unseren Eingang, an dem in der Tat die eingetragenenen Namen auf den Tickets sehr gewissenhaft mit unseren Ausweisen abgeglichen wurden.
Kenne ich von Milan nicht, da war das den Ordnern scheißegal.

Das San Paolo hat ja schon viele Triumphe und Tragödien erlebt, und das sieht man ihm auch an.
Meine Freundin fand es ganz schön abgefuckt, ich finde, für italienische Verhältnisse ist es absolut top in Schuss.
60.000 passen noch rein, eine Renovierung ist zwar schon seit einiger Zeit angedacht, aber Gott sei Dank noch nicht in Arbeit. Die Schalensitze (es ist ein Allseater) sehen aus als hätten sie 50 Jahre Sonne am Stück abbekommen im Wechsel mit Sturmfluten.
Zwei Ränge, der untere ging durchweg erst gar nicht in den Verkauf, mit Ausnahme des Gästekäfigs für die Bologna-Tifosi.

Im Rundlauf unten gab es angenehm schnickschnackfreie Bierversorgung: Perroni im Plastikbecher von einem Typ an einem abgeranzten Tisch ohne Barrieren, Theke oder dergleichen gegen echtes Geld eingeschenkt.

Rein ins weite Rund, ein Blick auf die Kurven:
Curva A nicht besonders gefüllt, Curva B deutlich besser.
Ansonsten hat die Gegentribüne ganz ordentlich besucht und die üblichen Verdächtigen auf der Haupttribüne.
Wir machten es uns gemütlich, während beide Kurven ein bisschen vor sich hinsangen.
Sehr lustig war beim Warmmachen der Napoli-Spieler vor der Curva B, das wirklich jeder einzelne Schuss, der im Tor landete, beklatscht wurde.
Die Spieler verschwanden, im Stadion hatte sich dann ca ein Drittel der möglichen 60.000 eingefunden.
Kurz danach Einlauf der Mannschaften, auf der Dissinti wurde eine Blockfahne hochgezogen, Curva A präsentierte ein für mich unleserliches Banner und ein paar Fackeln.
Curva B mit einem Banner „Settore popolare“ und ziemlich lautstark.
Das Spiel war durchaus munter, Napoli klar besser.
Bologna zwar in neongelben Trikots, aber bieder bis zum Anschlag.
Napoli zwar auch keineswegs fehlerfrei, aber schneller, agressiver und spielerisch turmhoch überlegen.
Callejon machte denn auch nach einer knappen Viertelstunde die Führung, im Stadion wurde es jetzt mal ordentlich laut, nachdem vor allem Cuva B zwar durchgehend sang und anfeuerte, Curva A sich nur ab und zu bemerkbar machte und Distinti nur ganz ganz selten.

Eine Chance für Bologna, mehrere für Napoli, das einsnull hielt bis zur Pause.
Inzwischen war auch ein kleiner Haufen Bologna-Tifosi eingetroffen, die bei Anpfiff der Partie noch nicht im Stadion waren. Vielleicht 80 Leutchen, wohlwollend geschätzt. Schade, dass es nicht mehr waren.
Aber die sahen ihr Team jetzt viel agressiver, Napoli sorgloser, und so waren keine fünfzehn Minuten gespielt, da klingelte es im Kasten der Süditaliener. Und zwar verdient.
Große Freude sowie Blinker und Fackeln beim Gästeanhang, Murren und Knurren bei den anderen 21.000.

Übrigens, kleiner Exkurs zum Thema „Eskalation der Gewalt im Fußball“:
1924 sorgten Ausschreiten beim Finalspiel des Bologna FC gegen Genova für einen Spielabbruch, Wertung mit zwonull und damit die Meisterschaft für den Gegner aus Ligurien.

Aber von solch sportlichen Leistungen ist Bologna ohnehin weit entfernt.
So auch an diesem Samstag abend. Napoli zog die Zügel an und wechstelte unter anderem Arkadiusz Milik, ihren neuen Topstar ein, der auf dem besten Wege ist, Verräter Higuain Vergessen zu machen.
Wenn man bedenkt, dass Leute wie Giaccherini und Mertens nur auf der Bank saßen...

Um es abzukürzen: Milik mit zwei blitzsauberen Toren, bei denen er seine Klasse zeigte, anschließend noch rot für Bologna – als Napoli ernst machte, war das Strohfeuer der Gäste schnell erloschen.
Im Gegensatz zu den Fackeln, die immer mal wieder von Grüppchen oder Einzelpersonen angerissen wurden, hauptsächlich in Curva B, und stilecht mehrheitlich auf der Tartanbahn entsorgt wurden. Was aber niemand auch nur ansatzweise interessierte, außer den Feuerwehrleuten, die ein Auge darauf hatten.
Gesungen wurde nun sogar der schöne Gassenhauer „Un giorno all'improvviso“, allerdings war die Stimmung eher lockerflockig. Zu schwach der Gegner, zu wenige Zuschauer, zu wenig entscheidend oder dramatisch das Match.
Trotzdem ein herrlicher Kurvenschlager.

Ein Brot und Butter Spiel war es, kein Derby, nix wildes. Aber ich mag ja aus fansoziologischer Sicht so was.
Da trennt sich die Spreu vom Weizen.
Durchgehend Gesänge und Anfeuerungen, klassischer italienischer Ultrastyle würde ich mit meinem gepflegten Halbwissen urteilen.
Und mal wieder eine Menge bekannter Melodien, deutschland- und europaweit.
Schrieb ich schon, dass ich Italien mag?
Wir sind dann ganz zufrieden nach Downtown Napoli getuckert, sehr

PS.: Gestern noch in Napoli in einer Bar die letzte halbe Stunde von Atalanta vs Napoli gesehen.
Da war nix mehr von starkem SSC. Fußball ist schön
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Da stimme ich zu und fühle mich verpflichtet, auch mal wieder was zu schreiben

In diesem Sinne: Vielen Dank für den wunderbaren Bericht!

Vor allem die Eindrücke aus der Stadt und rund ums Stadion kann ich genau so bestätigen. Ich liebe dieses Gewusel in der Stadt, ich liebe die Mentalität der Leute und ich liebe am meisten die kulinarischen Genüsse in Napoli. Bis auf den letzten Punkt kann ich aber auch ein Stück weit die nicht wenigen Leute verstehen, die damit nichts anfangen können und Napoli für da letzte Loch halten.

Bei meinen beiden Besuchen im Stadion hatte ich wohl mehr Glück mit dem Zuschauerzuspruch, beide Male annähernd voll gewesen. Vor allem der Anblick von Curva A ist ja schon fast traurig. Grund hierfür dürfte aber wohl wirklich die Ticketpreise sein. Beim ersten Heimspiel der Saison gegen Milan wurde hier boykottiert und in der Mitte des Blocks hing ein Banner mit der Aufschrift 40€ (Preis eines Kurventickets). Das Spruchband „settore popolare“ hat den selben Hintergrund.
Wobei ich meine, dass letzte Saison in den ersten Spielen auch nicht so viel los war, erst mit zunehmenden Erfolg wurde das Stadion wieder voller.

reggaetyp schrieb:

Also suchten wir unseren Eingang, an dem in der Tat die eingetragenenen Namen auf den Tickets sehr gewissenhaft mit unseren Ausweisen abgeglichen wurden.
Kenne ich von Milan nicht, da war das den Ordnern scheißegal.

Interessant. Bei meinem letzten Besuch bei Milan kamen mehrere Leute nicht rein, bei denen der falsche Name auf dem Ticket stand. Scheint wohl Glückssache zu sein, wen man erwischt…
#
Da stimme ich zu und fühle mich verpflichtet, auch mal wieder was zu schreiben

In diesem Sinne: Vielen Dank für den wunderbaren Bericht!

Vor allem die Eindrücke aus der Stadt und rund ums Stadion kann ich genau so bestätigen. Ich liebe dieses Gewusel in der Stadt, ich liebe die Mentalität der Leute und ich liebe am meisten die kulinarischen Genüsse in Napoli. Bis auf den letzten Punkt kann ich aber auch ein Stück weit die nicht wenigen Leute verstehen, die damit nichts anfangen können und Napoli für da letzte Loch halten.

Bei meinen beiden Besuchen im Stadion hatte ich wohl mehr Glück mit dem Zuschauerzuspruch, beide Male annähernd voll gewesen. Vor allem der Anblick von Curva A ist ja schon fast traurig. Grund hierfür dürfte aber wohl wirklich die Ticketpreise sein. Beim ersten Heimspiel der Saison gegen Milan wurde hier boykottiert und in der Mitte des Blocks hing ein Banner mit der Aufschrift 40€ (Preis eines Kurventickets). Das Spruchband „settore popolare“ hat den selben Hintergrund.
Wobei ich meine, dass letzte Saison in den ersten Spielen auch nicht so viel los war, erst mit zunehmenden Erfolg wurde das Stadion wieder voller.

reggaetyp schrieb:

Also suchten wir unseren Eingang, an dem in der Tat die eingetragenenen Namen auf den Tickets sehr gewissenhaft mit unseren Ausweisen abgeglichen wurden.
Kenne ich von Milan nicht, da war das den Ordnern scheißegal.

Interessant. Bei meinem letzten Besuch bei Milan kamen mehrere Leute nicht rein, bei denen der falsche Name auf dem Ticket stand. Scheint wohl Glückssache zu sein, wen man erwischt…
#
Oesch schrieb:

Vor allem die Eindrücke aus der Stadt und rund ums Stadion kann ich genau so bestätigen. Ich liebe dieses Gewusel in der Stadt, ich liebe die Mentalität der Leute und ich liebe am meisten die kulinarischen Genüsse in Napoli.

Die Stadt ist mördergeil. Vor allem die quartieri spagnoli.
Da könnte ich stundenlang rumtapern und in Bars, Spelunken und Trattorie rumlungern, Schwätzchen halten, Leute gucken.
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SSC Napoli vs Bologna FC  3:1 (1:0)
17.09.2016    20:45 Uhr
Stadio San Paolo in Napoli
Serie A
21.083 Zuschauer (ca. 80 Gästefans)


Ein paar Worte zum Spiel in Napoli, das wir gleich zu Beginn unseres Urlaubs in der Campania besuchten. Viele werden schon im San Paolo gewesen sein, etliche sicher auch nicht.
Für mich war es der erste Besuch nicht nur im Stadion dort sondern überhaupt in Napoli. Bei unserem Spiel damals konnte ich aus verschiedensten Gründen leider nicht vor Ort sein.

Und bei unserer letzten UEFA-Cup-Teilnahme reichte es ja bekanntermaßen leider nicht für unsere Jungs sich für ein Spiel mit diesem durchaus legendären Club zu qualifizieren.
Immer noch sehr schade aber Schnee von gestern.

Vor dem Spiel stand der Erwerb der Karten. Eigentlich wollten wir bequem online Tickets kaufen.
Tja, wenn es die verdammte Tessera nicht gäbe, wäre das kein Problem gewesen.
Aber: Ohne Tessera kein online-Einkauf.
Nun denn: Nach einer kurzen Nacht (wegen schwerer Gewitter mussten wir in Bari zwischenlanden, bis der Flughafen in Napoli wieder gewöffnet wurde), trotteten wir in die Quartieri Spagnoli in eines der herrlichsten Gewusel und Durcheinander von Straßenhändlern, Motorini, Müßiggängern, Handwerker, Tage- und Taschendieben, Alten und Jungen, Einkäufern, Zockern und Tifosi. Rein in die nächste Bar, einen Cafè, und eine Minute später die wichtige Information:
Tickets für das Spiel da vorne im Wettbüro. Sehr schön. Ich liebe Italien. Richtiger Kaffee, Wein, Bier, Essen von und für Götter, Kinder, Alte – Leben!

Gegen Vorlage unserer Ausweise und 70 Euro („solo Cash, no carta die credita“) hatten wir zwei Karten für die Distinti, die Gegentribüne.

Nach ein bisschen Bummelei schickte uns der Hunger für ein spätes Mittagessen ins centro storico.
In einer Seitenstraße an einer Piazzetta landeten wir in einer Trattoria. Der Kellner mit Napoli-Tattoo, an der Wand Graffittis mit einem Ultras Napoli-Bus und, natürlich, Diego M.

Ich bin nicht sicher, ob Diego noch vor San Gennaro, dem Schutzheiligen der Stadt oder gleichauf mit ihm verehrt wird. Auf jeden Fall ist er allgegenwärtig. Auf Postern, Fotos, Graffittis, Fahnen usw.

Überhaupt habe ich eine Intensität und Allgegenwärtigkeit eines Fußballclubs bisher nur in Bilbao und Glasgow ähnlich bemerkt.
Leider schlug sich das nicht im Zuschaueraufkommen nieder:
Rund 21.000 wollten dem Match gegen Bologno beiwohnen. Tessera und hohe Eintrittspreise dürften die Hauptschuldigen sein. Vielleicht können Italien-Experten mir da weiterhelfen.
An der sportlichen Situation des SSC kann es nicht liegen.
Napoli spielt in dieser Saison wieder Championsleague, und vor dem vierten Spieltag der Serie A durften die Himmelblauen auf den Sprung auf Platz in der Tabelle hoffen, stand Konkurrent Juve doch am Sonntag der schwere Gang zu Inter bevor.

Also rein in die U-S-Regio-was auch immer Bahn, und ab zum Stadio San Paolo.
Gleich am Bahnhof eine Bar, also erstmal ein Moretti. Ich liebe Stadien, die im oder am Rande normaler Viertel mit Wohnungen, Kneipen usw. liegen.
So auch das San Paolo. Hinter der Curva gleich die typischen mehrstöckigen italienischen Wohnhäuser, Kneipen, Läden usw.
Drumherum das übliche:
Bierstände, Möglichkeiten zur Nahrungsaufnahme, Fanartikelverkäufer usw.
Darunter auch sehr lustige Stände mit Leuchtreklame, die eher an Dippemess oder so denken ließen.
Bisschen Gewusel aber kein Massenandrang.
Also suchten wir unseren Eingang, an dem in der Tat die eingetragenenen Namen auf den Tickets sehr gewissenhaft mit unseren Ausweisen abgeglichen wurden.
Kenne ich von Milan nicht, da war das den Ordnern scheißegal.

Das San Paolo hat ja schon viele Triumphe und Tragödien erlebt, und das sieht man ihm auch an.
Meine Freundin fand es ganz schön abgefuckt, ich finde, für italienische Verhältnisse ist es absolut top in Schuss.
60.000 passen noch rein, eine Renovierung ist zwar schon seit einiger Zeit angedacht, aber Gott sei Dank noch nicht in Arbeit. Die Schalensitze (es ist ein Allseater) sehen aus als hätten sie 50 Jahre Sonne am Stück abbekommen im Wechsel mit Sturmfluten.
Zwei Ränge, der untere ging durchweg erst gar nicht in den Verkauf, mit Ausnahme des Gästekäfigs für die Bologna-Tifosi.

Im Rundlauf unten gab es angenehm schnickschnackfreie Bierversorgung: Perroni im Plastikbecher von einem Typ an einem abgeranzten Tisch ohne Barrieren, Theke oder dergleichen gegen echtes Geld eingeschenkt.

Rein ins weite Rund, ein Blick auf die Kurven:
Curva A nicht besonders gefüllt, Curva B deutlich besser.
Ansonsten hat die Gegentribüne ganz ordentlich besucht und die üblichen Verdächtigen auf der Haupttribüne.
Wir machten es uns gemütlich, während beide Kurven ein bisschen vor sich hinsangen.
Sehr lustig war beim Warmmachen der Napoli-Spieler vor der Curva B, das wirklich jeder einzelne Schuss, der im Tor landete, beklatscht wurde.
Die Spieler verschwanden, im Stadion hatte sich dann ca ein Drittel der möglichen 60.000 eingefunden.
Kurz danach Einlauf der Mannschaften, auf der Dissinti wurde eine Blockfahne hochgezogen, Curva A präsentierte ein für mich unleserliches Banner und ein paar Fackeln.
Curva B mit einem Banner „Settore popolare“ und ziemlich lautstark.
Das Spiel war durchaus munter, Napoli klar besser.
Bologna zwar in neongelben Trikots, aber bieder bis zum Anschlag.
Napoli zwar auch keineswegs fehlerfrei, aber schneller, agressiver und spielerisch turmhoch überlegen.
Callejon machte denn auch nach einer knappen Viertelstunde die Führung, im Stadion wurde es jetzt mal ordentlich laut, nachdem vor allem Cuva B zwar durchgehend sang und anfeuerte, Curva A sich nur ab und zu bemerkbar machte und Distinti nur ganz ganz selten.

Eine Chance für Bologna, mehrere für Napoli, das einsnull hielt bis zur Pause.
Inzwischen war auch ein kleiner Haufen Bologna-Tifosi eingetroffen, die bei Anpfiff der Partie noch nicht im Stadion waren. Vielleicht 80 Leutchen, wohlwollend geschätzt. Schade, dass es nicht mehr waren.
Aber die sahen ihr Team jetzt viel agressiver, Napoli sorgloser, und so waren keine fünfzehn Minuten gespielt, da klingelte es im Kasten der Süditaliener. Und zwar verdient.
Große Freude sowie Blinker und Fackeln beim Gästeanhang, Murren und Knurren bei den anderen 21.000.

Übrigens, kleiner Exkurs zum Thema „Eskalation der Gewalt im Fußball“:
1924 sorgten Ausschreiten beim Finalspiel des Bologna FC gegen Genova für einen Spielabbruch, Wertung mit zwonull und damit die Meisterschaft für den Gegner aus Ligurien.

Aber von solch sportlichen Leistungen ist Bologna ohnehin weit entfernt.
So auch an diesem Samstag abend. Napoli zog die Zügel an und wechstelte unter anderem Arkadiusz Milik, ihren neuen Topstar ein, der auf dem besten Wege ist, Verräter Higuain Vergessen zu machen.
Wenn man bedenkt, dass Leute wie Giaccherini und Mertens nur auf der Bank saßen...

Um es abzukürzen: Milik mit zwei blitzsauberen Toren, bei denen er seine Klasse zeigte, anschließend noch rot für Bologna – als Napoli ernst machte, war das Strohfeuer der Gäste schnell erloschen.
Im Gegensatz zu den Fackeln, die immer mal wieder von Grüppchen oder Einzelpersonen angerissen wurden, hauptsächlich in Curva B, und stilecht mehrheitlich auf der Tartanbahn entsorgt wurden. Was aber niemand auch nur ansatzweise interessierte, außer den Feuerwehrleuten, die ein Auge darauf hatten.
Gesungen wurde nun sogar der schöne Gassenhauer „Un giorno all'improvviso“, allerdings war die Stimmung eher lockerflockig. Zu schwach der Gegner, zu wenige Zuschauer, zu wenig entscheidend oder dramatisch das Match.
Trotzdem ein herrlicher Kurvenschlager.

Ein Brot und Butter Spiel war es, kein Derby, nix wildes. Aber ich mag ja aus fansoziologischer Sicht so was.
Da trennt sich die Spreu vom Weizen.
Durchgehend Gesänge und Anfeuerungen, klassischer italienischer Ultrastyle würde ich mit meinem gepflegten Halbwissen urteilen.
Und mal wieder eine Menge bekannter Melodien, deutschland- und europaweit.
Schrieb ich schon, dass ich Italien mag?
Wir sind dann ganz zufrieden nach Downtown Napoli getuckert, sehr

PS.: Gestern noch in Napoli in einer Bar die letzte halbe Stunde von Atalanta vs Napoli gesehen.
Da war nix mehr von starkem SSC. Fußball ist schön
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WA hat vollkommen recht, dein schöner Bericht hätte weitaus mehr Reaktionen verdient. Habe ihn gestern schon sehr interessiert und begeistert gelesen, schön geschrieben und eindrucksvoll geschildert! Vielen Dank dafür!
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In der Tat ein toller Bericht. DaZke!
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Ich muss schon sagen...

Da schreibt sich einer einen Wolf, lässt die Forumsgemeinde teilhaben an einem Fußballerlebnis, garniert das Ganze noch mit eigenen Bildern, schildert eindrucksvoll wie eindrücklich Fußball an Orten, die nun nicht jeder hier zu sehen bekommt, und es kommentieren - zwei User.

Wie wäre es mit "da war ich auch schon und ergänze" oder "so ist es auch in XY" oder wenigstens ein "schöner Bericht" oder ein "Danke". Das hätte der nämlich verdient - und das würde ein funktionierendes Forum auch ausmachen.

War auch schon mal anders hier. Schade.
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WuerzburgerAdler schrieb:

Ich muss schon sagen...


Da schreibt sich einer einen Wolf, lässt die Forumsgemeinde teilhaben an einem Fußballerlebnis, garniert das Ganze noch mit eigenen Bildern, schildert eindrucksvoll wie eindrücklich Fußball an Orten, die nun nicht jeder hier zu sehen bekommt, und es kommentieren - zwei User.


Wie wäre es mit "da war ich auch schon und ergänze" oder "so ist es auch in XY" oder wenigstens ein "schöner Bericht" oder ein "Danke". Das hätte der nämlich verdient - und das würde ein funktionierendes Forum auch ausmachen.


War auch schon mal anders hier. Schade.

Da hast Du Recht.
Vielen Dank für die Eindrücke und Bilder.


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