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Die Bildzeitungskampagne und "Wir sind Helden"

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okay, man kann sagen, dass hier auch Eigenwerbung betrieben wird.

Mir aber egal (nein, wir sind helden gehört keineswegs zu "meinen Helden".

Ich find`s klasse rotzig, sprachlich eloquent, inhaltlich gut auf den Punkt gebracht.


http://off-the-record.de/2011/02/25/ich-glaube-es-hackt-wie-wir-sind-helden-der-bild-und-jung-von-matt-saures-gibt/



DIE ANFRAGE

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir sind als Werbeagentur mit der aktuellen BILD-Kampagne betraut, in der wir hochkarätigen Prominenten eine Bühne bieten, ihre offene, ehrliche und ungeschönte Meinung zur BILD mitzuteilen.

Derzeit planen wir die nächste Produktionsphase für Frühjahr 2011. Die neu zu produzierenden TV- und Kinospots sowie Plakat- und Anzeigenmotive sollen die bestehenden Motive von Veronica Ferres, Thomas Gottschalk, Philipp Lahm, Richard von Weizsäcker, Mario Barth u.v.m. ergänzen.

Für diese Fortführung der Kampagne möchten wir sehr gern “Wir sind Helden” gewinnen.

Das schöne an der Kampagne ist, dass sie einem guten Zweck zu Gute kommt. BILD spendet in Namen jedes Prominenten 10.000,- Euro an einen von Ihnen zu bestimmenden Zweck.

Lassen Sie uns gern telefonieren und die Details besprechen. Zur Detailinformation senden wir Ihnen bereits heute anbei einige weiterführende Informationen.

Ich freue mich dazu von Ihnen zu hören.
Herzliche Grüße aus Hamburg,
Jung von Matt/Alster Werbeagentur GmbH

DIE ANTWORT

Liebe Werbeagentur Jung von Matt,

bzgl. Eurer Anfrage, ob wir bei der aktuellen Bild -Kampagne mitmachen wollen:

Ich glaub, es hackt.

Die laufende Plakat -Aktion der Bild -Zeitung mit sogenannten Testimonials, also irgendwelchem kommentierendem Geseiere (Auch kritischem! Hört, hört!) von sogenannten Prominenten (auch Kritischen! Oho!) ist das Perfideste, was mir seit langer Zeit untergekommen ist. Will heißen: nach Euren Maßstäben sicher eine gelungene Aktion.

Selten hat eine Werbekampagne so geschickt mit der Dummheit auf allen Seiten gespielt. Da sind auf der einen Seite die Promis, die sich denken: Hmm, die Bildzeitung, mal ehrlich, das lesen schon wahnsinnig viele Leute, das wär schon schick… Aber irgendwie geht das eigentlich nicht, ne, weil ist ja irgendwie unter meinem Niveau/ evil/ zu sichtbar berechnend… Und dann kommt ihr, liebe Agentur, und baut diesen armen gespaltenen Prominenten eine Brücke, eine wackelige, glitschige, aber hey, was soll´s, auf der anderen Seite liegt, sagen wir mal, eine Tüte Gummibärchen. Ihr sagt jenen Promis: wisst ihr was, ihr kriegt einfach kein Geld! Wir spenden einfach ein bisschen Kohle in eurem Namen, dann passt das schon, weil, wer spendet, der kann kein Ego haben, verstehste? Und außerdem, pass auf, jetzt kommt´s: ihr könnt sagen, WAS IHR WOLLT!

Und dann denken sich diese Promis, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, irgendeine pseudo -distanziertes Gewäsch aus, irgendwas “total Spitzfindiges”, oder Clever- Unverbindliches, oder Überhebliches, oder… Und glauben, so kämen sie aus der Nummer raus, ohne ihr Gesicht zu verlieren. Und haben trotzdem unheimlich viele saudumme Menschen erreicht! Hurra.

Auf der anderen Seite, das erklärt sich von selbst, der Rezipient, der saudumme, der sich denkt: Mensch, diese Bild -Zeitung, die traut sich was.

Und, die dritte Seite: Ihr, liebe jungdynamische Menschen, die ihr, zumindest in einem sehr spezialisierten Teil eures Gehirns, genau wisst, was ihr tut. Außer vielleicht, wenn ihr auf die Idee kommt, “Wir sind Helden” für die Kampagne anzufragen, weil, mal ehrlich, das wäre doch total lustig, wenn ausgerechnet die…

Das Problem dabei: ich hab wahrscheinlich mit der Hälfte von euch studiert, und ich weiß, dass ihr im ersten Semester lernt, dass das Medium die Botschaft ist. Oder, noch mal anders gesagt, dass es kein “Gutes im Schlechten” gibt. Das heißt: ich weiß, dass ihr wisst, und ich weiß, dass ihr drauf scheißt.

Die BILD -Zeitung ist kein augenzwinkernd zu betrachtendes Trash -Kulturgut und kein harmloses “Guilty Pleasure” für wohlfrisierte Aufstreber, keine witzige soziale Referenz und kein Lifestyle -Zitat. Und schon gar nicht ist die Bild -Zeitung das, als was ihr sie verkaufen wollt: Hassgeliebtes, aber weitestgehend harmloses Inventar eines eigentlich viel schlaueren Deutschlands.

Die Bildzeitung ist ein gefährliches politisches Instrument – nicht nur ein stark vergrößerndes Fernrohr in den Abgrund, sondern ein bösartiges Wesen, das Deutschland nicht beschreibt, sondern macht. Mit einer Agenda.

In der Gefahr, dass ich mich wiederhole: ich glaub es hackt.

Mit höflichen Grüßen,
Judith Holofernes
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Es ist wie bei allem: Es gibt pro und contra und das MUSS dir als Promi bewusst sein. BILD ist ein Leitmedium in Deutschland, das täglich von 3-4 Millionen gekauft und noch von sehr vielen mehr gelesen wird. Gute oder schlechte Nachrichten über dich erreichen also seeeeehr viele Menschen.

Wenn du nun so eine Antwort an die BILD-Mitarbeiter oder Vertraute schickst, kann (!) der Schuss schnell nach hinten losgehen.

Natürlich: Höchsten Respekt dafür, was Judith Holofernes schreibt (sie hat ja auch recht   ), aber für eine Band wie die Helden, welche in den letzten Jahren eher unauffällig unterwegs war, ist das nicht gerade eine gute PR-/Marketing-Maßnahme.
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im endeffekt ist es hervorragende werbung für die bildzeitung.

der typische bildleser, der sich von werbung vielleicht überzeugen lassen würde, versteht den brief von holofernes eh ned.... auch die zielgruppen von bild und wir sind helden sind ganz unterschiedliche, so daß wir sind helden wenig bis nix damit riskieren.

einen aufklärerischen oder "anti-werbungseffekt" wird man so nicht erzielen.
es ist kostenlose werbung für wir sind helden, die bildzeitung und jung von matt... ein win-win-win-situation.

ich finde es eher überflüssig, falls es wirklich darum gegangen wäre, keine werbung für die bildzeitung zu machen, hätte man es diskret erledigt.
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Selbstverständlich kann es nach der Medientheorie keine kritische Aussage geben, die nicht gleichzeitig auch Werbeeffekt für den Kritisierten hat.
Das darf aber nicht dazu verleiten, auf öffentlich wahrnehmbare Kritik dessen zu verzichten, was zu kritisieren ist. Frau Holofernes liefert hier eine m.E. sehr gute Analyse der Bildkampagne sowie der Promis, die sich dafür hergeben. Am Ende macht sie vor allem deutlich, dass die Bildzeitung kein Späßchen ist, sondern bekämpft gehört. Ohne Kritik keine Aufklärung, Werbeeffekt hin oder her.
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Das sehe ich auch so.
Ich fand diese Kampagne auch höchst suspekt, vor allem weil sich so unglaublich viele Persönlichkeiten unglaubwürdig gemacht haben (zB Alice Schwarzer, da möcht ich mal wissen, was sie der verabreicht haben, damit sie zusagt).

Von diesem 10.000€-Ablasshandel wusste ich bisher auch nichts, umso schlimmer, dass anscheinend eine Menge kluger Köpfe darauf eingegangen ist, anstatt es mit Judith Holofernes zu halten.
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Ich finde es einfach nur schlimm, wie Promis sich von der Bild als Aushängeschild mißbrauchen lassen. Dieses Drecksblatt sollte man besser boykottieren!
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Ich stimme Stefan zu, außerdem hat sie das sprachlich ansprechend gelöst

@Bild: Eigentlich kann man nur immer wieder Max Goldt zitieren:
"Diese Zeitung ist ein Organ der Niedertracht. Es ist falsch, sie zu lesen. Jemand, der zu dieser Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel. Es wäre verfehlt, zu einem ihrer Redakteure freundlich oder auch nur höflich zu sein. Man muss so unfreundlich zu ihnen sein, wie es das Gesetz gerade noch zulässt. Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun."
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Sehr treffende Ausführungen  Glückwunsch Frau Holofernes von mir.
Die "Bild" ist mir schon mindestens seit 1979 "Vampir von Sachsenhausn" als kotz... unangenehm (sehr)aufgefallen
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Ich finde es klasse von Judith. Wer für etwas wirbt, muss auch dahinterstehen, egal, ob dies nun im Sinne eigener PR ist oder nicht. Viele Prominente sehen das anders, verkaufen sich aber ein Stückweit. Ich habe noch kein Plakat gesehen, auf dem etwas zu lesen war, das ansatzweise Kritik an der Bild wäre. Dass sie so forsch reagiert, finde ich nur legitim, wenn man bedenkt, wie heuchlerisch die Anfrage formuliert ist ("ihre offene, ehrliche und ungeschönte Meinung zur BILD mitzuteilen"). Eine anderslautende Anfrage hätte sie vielleicht ebenfalls anderslautend beantwortet. Insofern die einzig richtige Reaktion.

Beispiel:
Gottschalk schrieb:
BILD hat mich erst zur Schnecke gemacht und dann
zum Titan! Wer in Deutschland was werden will, muss da durch!
Dies ist nicht ansatzweise als Kritik zu bezeichnen, eher als Danksagung. Als ob die Werbeagentur Judith Holofernes mit dem Spruch "Die Bild erreicht unheimlich viele saudumme Menschen, das muss sich ändern" abbilden würde. Obwohl, das würde eventuell sogar einige "nichtsaudumme" Menschen dazu bewegen, sich zu fragen, warum sie sich dann dafür ablichten lässt. Insofern ist das keine Option, wie man es dreht und wendet.

Dr. Andreas Wiele, Vorstand BILD-Gruppe und Zeitschriften Axel Springer AG schrieb:
An BILD kommt keiner in Deutschland vorbei. Fast 12
Millionen Menschen lesen täglich die Zeitung. Man vertraut BILD, man
ärgert sich über BILD, man ruft nach BILD und man kritisiert BILD –
und es gibt viele hartnäckige Klischees. Mit dieser Kampagne wollen
wir zeigen, wie vielseitig BILD ist und die überholten Klischees in
Frage stellen.


Nein, die Bild will nicht mit Klischees aufräumen. Sie will sie durch pseudokritische Statements Prominenter verweichen. Die aktuelle Kampagne funktioniert dabei auch nicht anders als alle anderen Kampagnen mit Promis bisher: Das Foto eines "Idols" auf dieser Zeitung soll letztendlich suggerieren, "wenn der das liest, dann kann das Blatt nicht so schlecht sein". Um die genannten Klischees zu bemühen: Bauernfang, wie immer, manipulativ, wie immer. Das kann man durchaus als Lob verstehen, denn darin sind sie gut, zumindest bei ihrer Zielgruppe scheinen sie damit zu landen. Die intellektuelle Elite werden sie mit ihren gefühlsschwangeren und ausrufezeichenüberschwemmten Texten ohnehin nie erreichen. Jeder Promi, der sich ablichten lässt für die Bild, erleidet für mich automatisch Respektsverlust.
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Ich bin halt jetzt gespannt, was die BlÖd da jetzt macht.

Immerhin kann man am Umgang mit unserm bärtigen Ex-Kapitän schon erkennen, dass die gerne Nachkarren. Und ich denke, dass die dabei sehr kreativ sein können

Ich muss auch sagen, dass meine Reaktion - analog zu Obenstehendem - wenn ich mehr oder weniger zufällig mal wieder einen sogenannten Promie für die werben sehe, ungefähr so ist:

Hat der/die das nötig? Hat der/die kein Rückgrat? Was*n das für`n ne Flachpfeife? Politisches Bewusssein abgeschafft? Konto leer?

Jedenfalls sinken diejenigen abrupt in meinem Ansehen (sofern vorher vorhanden ,-) ).
Ich denke jedoch, dass gerade als sogenannter Promie, es fatal sein kann, sich mit diesem Blatt anzulegen.

Die machen Stars, und die stürzen Stars.

Umsomehr RESPEKT für Judith Holofernes
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Der_Mitleser schrieb:

Jedenfalls sinken diejenigen abrupt in meinem Ansehen (sofern vorher vorhanden ,-) ).

Philipp Lahm ist bei mir unten durch. So ein Schleimbolzen.

Der_Mitleser schrieb:

Ich denke jedoch, dass gerade als sogenannter Promie, es fatal sein kann, sich mit diesem Blatt anzulegen.



Dazu muss man sich nur reinziehen, was die Bild mit Charlotte Roche abgezogen hat.
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die BILD-Zeitung und nachtreten...niemals

die hatten mal ne Reihe mit Volks-Büchern (widerlicher Bild-Bindestrich) deutscher Literaturnobelpreisträger: Hauptmann, Grass usw. - alle mit ihrem Hauptwerk vertreten.

Nur einer war "vergessen" worden: Heinrich Böll für seine indirekte Kritik an der Bild mit "die verlorene Ehre der Katharina Blum", das Nachtreten hat bei denen als auch ne höhere und lang zurückreichende Basis
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Immerhin haben wir ja bei der Eintracht auch einen, der ein ganz besonders "inniges" Verhältnis zu der BLÖD hat. Zumindest dafür verdient Ama allen Respekt.
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Judith Holofernes spricht mir aus der Seele, Respekt.
Und beim Lesen der Antwort konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen, mir gefällt der Schreibstil.  
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schobbe schrieb:
Judith Holofernes spricht mir aus der Seele, Respekt.
Und beim Lesen der Antwort konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen, mir gefällt der Schreibstil.    


   

Großartig, ich bin begeistert.
Das wirkt richtig gut gegen meine Depression, die anlässlich Guttenbergs Ekelverhalten ausbrach.
Klug und konsequent - klasse, liebe Judith!
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Ein einfaches "Nein" hätte es auch getan...die Holofernes hört sich halt auch gern labern und denkt sie hat die Weisheit mit Löffeln gefressen...trotzdem Danke Judith, Du hast mir die Augen geöffnet...
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Schöne Antwort!  

Enteignet die BILD!    
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mzadler schrieb:
Ein einfaches "Nein" hätte es auch getan...die Holofernes hört sich halt auch gern labern und denkt sie hat die Weisheit mit Löffeln gefressen...trotzdem Danke Judith, Du hast mir die Augen geöffnet...  


Diese dezidierte Argumentation weist Frau Holofernes in ihre Schranken. Sicher hast du schon weit Bedeutenderes im Kampf gegen die Bildzeitung geleistet, so dass sie sich vor dir in den Staub beugen muss.
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Ffm60ziger schrieb:
Sehr treffende Ausführungen  Glückwunsch Frau Holofernes von mir.
Die "Bild" ist mir schon mindestens seit 1979 "Vampir von Sachsenhausn" als kotz... unangenehm (sehr)aufgefallen


Das ist der Hammer, das weisst du noch???

War das nicht ein Schüler der schillerschule in Sachsenhausen, der angeblich zu Hause Blut gesammelt hat, das er dann angeblich getrunken hat?

Später ist dann dieser Drecks Bild Artikel in sich zu sammen gefallen, weil dieser Junge einfach nur Blut für seinen Bio Unterricht aufbewahrt hat, um irgendwelche Bio - Versuche zu machen?

Die Bild - Drecks - Zeitung hat daraus den Vampir von Sachsenhausen gemacht, der angeblich Blut von sich und seinen Mitschülern gesammelt und getrunken hat.

Gut gebrüllt, Frau Holofernes!

Scheiss Bild Zeitung!
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stefank schrieb:
mzadler schrieb:
Ein einfaches "Nein" hätte es auch getan...die Holofernes hört sich halt auch gern labern und denkt sie hat die Weisheit mit Löffeln gefressen...trotzdem Danke Judith, Du hast mir die Augen geöffnet...  


Diese dezidierte Argumentation weist Frau Holofernes in ihre Schranken. Sicher hast du schon weit Bedeutenderes im Kampf gegen die Bildzeitung geleistet, so dass sie sich vor dir in den Staub beugen muss.


So seh ich das auch  


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