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Bangkok - Der Kampf für Freiheit und Demokratie?

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Fernab von Diskussionen über Leistungsträger, niedrige Wahlbeteiligungen, Politikverdrossenheit und Knöchelverletzungen tobt in Thailand ein ungleicher Kampf um etwas, das für uns als selbstverständlich erachtet wird.

Rothemden gegen Gelbhemden. Die verarmte und unterprivilegierte Landbevölkerung - angeführt von einem schwerreichen und vermutlich korrupten Demagogen - gegen die städtische Elite, die Monarchisten und die Militärs, die sich 2006 an die Macht geputscht hatten. Thailänder schießen auf Thailänder schießen auf Zivilisten. Amnesty international wirft der Regierung Menschenrechtsverletzungen vor. Achja, einen König hat Thailand auch noch - zumindest auf dem Papier.

Hintergründe: http://de.wikipedia.org/wiki/Blockade_des_Bangkoker_Gesch%C3%A4ftsviertels_2010

Meine Gedanken sind bei all jenen, die sich reinen Herzens unter Einsatz ihres Lebens für Freiheit und Demokratie einsetzen - möge es in Deutschland niemals nötig werden.

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Schön, wollte das hier auch schon thematisieren, vor allem da mir ein wenig der Überblick fehlt: Wer sind die Guten, wer die Bösen?

Shinawatra scheidet als Guter aus; was ist mit seinen Anhänger?

Auch das Militär scheint ja in dieser Frage ja gespalten. Und Bumipol, der ja in den Jahrzehnten zuvor Landesvater im besten Sinne war, schweigt.

Die Lage erscheint doch recht verwirrend.

Bedrückend fand ich vorhin den ARD Reporter in den Tagesschau, als er sichtlich betroffen sagte: 'Mein Bangkok brennt!'.

Traurig, was da in der Stadt Stadt der Engel los ist.  
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BBB, auf Spon war letztens ein interessantes Interview zu dem Thema:

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,695441,00.html

An deiner Frage zerbrechen also sogar die Experten.
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Ja, geht mir auch so. Solche Konflikte sind aber auch Ausdruck einer verkomplizierten Zeit. Das alte links-rechts & autoritär-demokratisch Muster hat halt weitgehend ausgedient.
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yeboah1981 schrieb:
Ja, geht mir auch so. Solche Konflikte sind aber auch Ausdruck einer verkomplizierten Zeit. Das alte links-rechts & autoritär-demokratisch Muster hat halt weitgehend ausgedient.  


Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Da bekämpfen sich zwei Parteien, die "Nationale Demokratische Front gegen die Diktatur" und  „Volksallianz für Demokratie“ heißen, mit äußerster Brutalität. Und der König schaut zu.
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Ganz gute Erklärung:

Der Machtkampf in Thailand verläuft zwischen Links und Rechts, zwischen Arm und Reich, zwischen Neu und Alt. Auf der einen Seite die Rothemden, die jetzt hinter den Barrikaden stehen und die Regierung stürzen wollen, auf der anderen das alte Establishment, das im vergangenen Jahr in gelben Hemden erfolgreich gegen die Vorgängerregierung opponiert hat.

Die Roten sind Anhänger des 2006 vom Militär gestürzten Regierungschefs Thaksin Shinawatra, der 2001 demokratisch gewählt wurde und die politische Landschaft radikal umgekrempelt hat. Er sicherte sich die Loyalität der armen Massen mit Mikrokrediten und Krankenversorgung. Mit ihren Stimmen machte er sich von der Gunst der Elitefamilien in Bangkok unabhängig, die Jahrzehnte lang die politischen Fäden in der Hand hatten.

Thaksin, der im Telekomgeschäft zuvor Milliardär geworden war, bog Gesetze und Institutionen nach seinem Gusto und zugunsten seiner Geschäftspartner. Als er dann auch noch bei der Besetzung von Militärstellen ein Wörtchen mitreden wollte, zogen die Generäle die Notbremse. Sie putschten.
Das Militär gehört zum alten Establishment. Wie die Familienclans, die sich Posten im Beraterstab des Königs und Schlüsselinstitutionen des Landes stets gegenseitig zuschoben und dafür sorgten, dass ihre Pfründe nicht schrumpften. Bis Thaksin kam. Er wurde zur Hassfigur der Eliten, die glaubten, der Spuk habe ein Ende mit dem Putsch.

Doch weit gefehlt. Die armen Massen zeigten den alten Mächten, wer in der Demokratie das Sagen hat: sie wählten bei den Wahlen nach dem Putsch Thaksins Anhänger 2007 erneut an die Macht. Von da an kämpften die alten Eliten mit härteren Bandagen: die Volksallianz für Demokratie PAD, ein loses Bündnis, besetzte das Regierungsgebäude und später die Flughäfen, und erklärte die Thaksin-Anhänger kurzerhand als zu dumm für die Demokratie.
Auf dem Höhepunkt ihrer Proteste löste das oberste Gericht die Thaksin-Partei dann wegen Wahlbetrugs auf. Der Weg für den jetzigen Regierungschef Abhisit Vejjajiva, dessen Mitstreiter teils selbst auf den PAD-Barridaden gestanden hatten, war frei.

Das Problem: Abhisit ist als Integrationsfigur zwischen Rot und Gelb denkbar ungeeignet. Der in England geborene smarte Spross einereinflussreichen Bangkoker Familie mit Oxford-Studium verkörpert so ziemlich alles, was die Rothemden rot sehen lässt. Er steht mit dem Rücken an der Wand: bei der glühenden Verehrerbasis für Thaksin unter den armen Massen hat er keine Chance, an der Wahlurne zu gewinnen. Die PAD verlangte deshalb ein weitgehend ernanntes Parlament.

Die Rothemden pochen natürlich auf den Wahlgang: „Wir verlangen Neuwahlen- wenn Abhisit gewinnt, erkennen wir ihn auch an“, sagt einer ihrer Anführer, Jakrapob Penkair, wohl wissend, dass das nicht passiert.

„Weder eine Wahl noch ein Vermittlungsprozess mit dem Ziel der Versöhnung können die revolutionäre Situation entschärfen“, schrieb der Thailand-Experte Michael Montesano in der Singapurer „Straits Times“. „Freie Wahlen würden die Thaksin-Anhänger wieder an die Macht bringen, was dessen Gegner wieder auf den Plan rufen würde. Und Wahlen, die nicht frei sind, würden die Rothemden weiter in die Opposition treiben.“ Aus der revolutionären Situation könne aber ein neues Thailand hervorgehen. Nur wie das aussieht, sagt er nicht.


Thaksin scheint das kleinere Übel für Thailand gewesen zu sein, da er wenigstens den Armen im Land etwas Aufmerksamkeit schenkte, auch wenn er nur auf deren Stimmen aus war!

Bhumipol wird weiter ein König ohne Reich sein, so wie schon in der Vergangenheit!
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B-W-X schrieb:
...Wissenswertes...

Dazke!
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B-W-X schrieb:
...viel Interessantes...


Hat jemand einen Überblick, was zu dem 'Aufstand' im Norden geführt hat? Hängt dies u.a. auch mit dem Zugang zu Informationen über das Internet zusammen?
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3zu7 schrieb:
B-W-X schrieb:
...Wissenswertes...

Dazke!



Das Wissenswerte stammt aus der "Zeit"
http://www.zeit.de/online/2009/16/thailand-krise
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Danke für die Links.

2 demokratische Parteien und keine demokratische Wahl?

Die Macht des König scheint wohl nur auf dem Papier zu bestehen.
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Larruso schrieb:


Die Macht des König scheint wohl nur auf dem Papier zu bestehen.


Der ist in einer konstitutionellen Monarchie auch nur der Grüßaugust, und das ist auch gut so.
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schwarzer_geier schrieb:
Larruso schrieb:


Die Macht des König scheint wohl nur auf dem Papier zu bestehen.


Der ist in einer konstitutionellen Monarchie auch nur der Grüßaugust, und das ist auch gut so.


Andererseits scheint der König ein hohes Standing bei den Gelbhemden zu haben. Wäre er eine stärkere Persönlichkeit hätte er seinen Einfluss durchaus dazu gebrauchen könnnen, viel unnötiges Blutvergießen zu stoppen - durchaus wünschenswert, aber nur Träumerei. Widerliche Machtmenschen.
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Hubert_Cumberdale schrieb:
schwarzer_geier schrieb:
Larruso schrieb:


Die Macht des König scheint wohl nur auf dem Papier zu bestehen.


Der ist in einer konstitutionellen Monarchie auch nur der Grüßaugust, und das ist auch gut so.


Andererseits scheint der König ein hohes Standing bei den Gelbhemden zu haben. Wäre er eine stärkere Persönlichkeit hätte er seinen Einfluss durchaus dazu gebrauchen könnnen, viel unnötiges Blutvergießen zu stoppen - durchaus wünschenswert, aber nur Träumerei. Widerliche Machtmenschen.


Ist wahrscheinlich ähnlich wie in anderen Teilen der Welt, das der König auch nur Marionette von politischen/wirtschaftlichen Instrumenten ist.

Wie sehen denn die Nachbarstaaten den Konflikt, bzw. auf welcher Seiten stehen die denn?
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Hubert_Cumberdale schrieb:
schwarzer_geier schrieb:
Larruso schrieb:


Die Macht des König scheint wohl nur auf dem Papier zu bestehen.


Der ist in einer konstitutionellen Monarchie auch nur der Grüßaugust, und das ist auch gut so.


Andererseits scheint der König ein hohes Standing bei den Gelbhemden zu haben. Wäre er eine stärkere Persönlichkeit hätte er seinen Einfluss durchaus dazu gebrauchen könnnen, viel unnötiges Blutvergießen zu stoppen - durchaus wünschenswert, aber nur Träumerei. Widerliche Machtmenschen.


Nicht nur bei den Gelbhemden, der König wird von der gesamten thailändischen Bevölkerung verehrt. Ihm wird höchster Respekt entgegengebracht, Kritik (auch von Touristen) wird nicht geduldet.

An jeder Kreuzung gibt es Bilder oder Statuen etc. vom König oder seiner Verwandschaft. Es war für mich als Deutschen beim ersten Urlaub dort kaum zu begreifen, welches Standing der König geniesst.

Aber, wie gesagt, konstitutionelle Monarchie heisst, dass der König politisch wenig zu sagen hat.
Zumal er mittlerweile 80 ist, im Januar erzählte mir ein Taxifahrer in Bangkok, dass der König schwer krank sei und im Krankenhaus liegt. Weiss nicht, wie es jetzt um seinen Gesundheitszustand bestellt ist.

Zum Thema: Die Proteste der Roten sind sicherlich berechtigt gewesen. Aber was spätestens seit der Kapitulation ihrer Anführer am Mittwoch in Bangkok abgeht, hat mit Demonstrationsfreiheit und Protestbewegung nichts mehr zu tun. Plünderungen, Brandstiftungen etc.
Die Börse, Behördliche Einrichtungen, Banken und Einkaufszentren brennen und müssen teilweise abgerissen werden.
Nicht besser verhält sich die Armee, die mit äußerster Brutalität gegen die Demonstranten vorgeht.
In einem Tempel der Innenstadt hatten viele Menschen Zuflucht gesucht, dort fand man nun 9 weitere Leichen, vermutlich von der Armee getötet. Diese beruft sich darauf, dass Sie schiessen mussten, da sich im Tempel Heckenschützen der Roten eingerichtet hätten...

Mich macht das sehr traurig, ich war mehrfach in Thailand, bin von dem Land und ihrer (sonst) freundlichen Bevölkerung begeistert  

http://www.thailandtip.de/ ist eine deutschsprachige Onlinezeitung, die ich Interessierten empfehle. Die haben auch ein gut frequentiertes Forum. Links zu den aktuellen Diskussionen:

http://forum.thailandtip.de/index.php?topic=5992.0
http://forum.thailandtip.de/index.php?topic=5923.0
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Falsche Sympathie mit den Schlächtern von Bangkok

Ein unschöner Ton der Erleichterung ist in der westlichen Berichterstattung auszumachen, seitdem Thailands Regierung durchgreift. Aus Bangkok kommentiert Georg Blume

http://www.zeit.de/politik/ausland/2010-05/thailand-bangkok-gewalt
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Pedrogranata schrieb:
Falsche Sympathie mit den Schlächtern von Bangkok

Ein unschöner Ton der Erleichterung ist in der westlichen Berichterstattung auszumachen, seitdem Thailands Regierung durchgreift. Aus Bangkok kommentiert Georg Blume

http://www.zeit.de/politik/ausland/2010-05/thailand-bangkok-gewalt


Vielen Dank für den Artikel. Deckt sich 1:1 mit meinen Gefühlen.


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